Seit einigen Jahren vertreten wir die Interessen von ehemaligen politischen Gefangenen aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Bayern …
Anmerkungen zum oben genannten Artikel: Die Antragsfristen für die Rehabilitierungsverfahren (strafrechtliche Rehabilitierung, berufliche Rehabilitierung etc.) wurden zwischenzeitlich entfristet.
Ohne wenn und aber: Anträge jetzt stellen!
Die Mehrheit der ehemaligen politischen Gefangenen ist zwischenzeitlich (strafrechtlich) rehabilitiert, hat Haftentschädigung erhalten, bezieht Opferpension und unter bestimmten Voraussetzungen auch Unterstützungsleistungen der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge.
Allerdings haben viele politische Häftlinge bzw. deren Hinterbliebene die Möglichkeiten, welche durch das berufsrechtliche Rehabilitierungsgesetz eröffnet werden, noch nicht erkannt bzw. umgesetzt. Anspruchsberechtigte scheuen mitunter den bürokratischen Aufwand und stehen dem Antragsverfahren skeptisch gegenüber, da sie davon ausgehen, dass (um es sinngemäß mit den Worten des Altbundeskanzlers Kohl zu formulieren) „hinten nichts rauskommt“.
Der Verfasser dieses Artikels appelliert, unbedingt die berufliche Rehabilitierung in Angriff zu nehmen.
Ein aktueller Fall: Ein ehemaliger politischer Häftling aus Mecklenburg-Vorpommern, der im Jahre 1966 aus politischer Haft entlassen wurde, durfte seine Ausbildung zum Rinderzüchter nicht weiterführen und musste Zeit seines Lebens als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft arbeiten. Durch das berufliche Rehabilitierungsverfahren wurde er nun im sich anschließenden Verfahren bei der Rentenversicherung rentenrechtlich als Rinderzüchter eingruppiert. Dies hatte nicht nur eine Rentenerhöhung von ca. 280,00 € zur Folge, sondern auch eine nicht unerhebliche Rentennachzahlung.
Sinn und Zweck des Gesetzes zur beruflichen Rehabilitierung ist die Rehabilitierung für Eingriffe in den Beruf oder in die berufsbezogene Ausbildung; Schwerpunkt dabei ist der Ausgleich von Nachteilen bei der Rente. Antragsberechtigt ist der Verfolgte selbst; nach seinem Ableben können auch Hinterbliebene einen Rehabilitierungsantrag stellen, wenn sie ein berechtigtes Interesse an der Antragstellung haben (Witwenrente). Antragsberechtigt sind auch Personen, die nicht in politischer Haft waren.
Als ehemaliger politischer Häftling sollte man auf jeden Fall einen Antrag auf berufliche Rehabilitierung stellen. Wenn man nach der Haftentlassung erheblichen beruflichen Benachteiligungen in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der „DDR“ ausgesetzt war, die als politische Verfolgung anzusehen sind, müssen diese Zeiten bei der Renten(neu)berechnung berücksichtigt werden. Voraussetzung für die Antragstellung ist die Entscheidung über die strafrechtliche Rehabilitierung (Rehabilitierungsbescheid bzw. Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 Häftlingshilfegesetz).
Wenn es sich bei dem Eingriff in den Beruf oder die Ausbildung um eine rechtstaatswidrige hoheitliche Maßnahme gehandelt hat (z.B. Exmatrikulation von der Fach- bzw. Hochschule, Entzug einer Gewerbeerlaubnis) muss zunächst das Antragsverfahren nach dem verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz durchlaufen werden.
Wenn die Rechtstaatswidrigkeit dieser Maßnahme nach den Vorschriften des verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes festgestellt wurde, kann sich ein berufliches Rehabilitierungsverfahren unmittelbar anschließen. Der Eingriff in den Beruf bzw. die Berufs-, Fachschul- bzw. Hochschulausbildung muss ein Akt der politischen Verfolgung gewesen sein; Beispiele hierfür: Berufliche Repressalien (z.B. Kündigung wegen politischer oder religiöser Überzeugung, wegen Kritik am System oder der Zugehörigkeit zu einer oppositionellen Gruppe, wegen eines Ausreiseantrages u.a.m.)
Zwischen der politischen Verfolgung und dem beruflichen Abstieg, was sicherlich regelmäßig der Fall ist, muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Von der gesetzlichen Regelung erfasst werden nicht nur Kündigung durch den ehemaligen Betrieb, sondern z.B. auch erzwungene Kündigungen durch den Betroffenen selbst, erzwungene Aufhebungs- oder Änderungsverträge, betriebliche Herabstufungen oder die Verweigerung dahingehend, dass man den erlernten oder angestrebten Beruf nicht mehr ausüben durfte. Zeiten, in den der Betroffene verfolgungsbedingt seine bisherige oder angestrebte Erwerbstätigkeit nicht (mehr) ausüben konnte sowie Zeiten eines verfolgungsbedingten Minderverdienstes sind ebenfalls Verfolgungszeiten, welche letztendlich rentenrechtlich (nach berufsrechtlicher Rehabilitierung) zu berücksichtigen sind.
Der Schwerpunkt der gesetzlichen Regelung besteht primär darin, dass der ehemalige politisch Verfolgte für die sogenannte Verfolgungszeit rentenrechtlich so gestellt wird, wie der Durchschnitt der Versicherten mit vergleichbarer Qualifikation im sogenannten Beitrittsgebiet. Anders formuliert: Nach erfolgter berufsrechtlicher Rehabilitierung werden die Antragsteller so gestellt, als wenn sie ihre Ausbildung beenden bzw. in ihrem Beruf weiter arbeiten konnten. Durch die sich an das berufliche Rehabilitierungsverfahren anschließende Rentenneuberechnung wird erreicht, dass der Antragsteller mindestens die Rente erhält, die er bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit ohne die Verfolgung erreicht hätte; die Betroffenen erhalten dann höhere EU- bzw. Altersrenten und regelmäßig auch Nachzahlungen.
Die berufliche Rehabilitierung umfasst im Wesentlichen:
- Ausgleich verfolgungsbedingter Nachteile bei der EU- und Altersrente
- Monatliche Ausgleichsleistungen (bis zu 184,00 €) bei niedrigem Einkommen
- Bevorzugte Förderung von beruflicher Weiterbildung, Fortbildung und Studium
Für die Einleitung des Antragsverfahrens sind (zunächst) der Bescheid über die strafrechtliche Rehabilitierung bzw. die Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 Häftlingshilfegesetz und die SVK-Ausweise vorzulegen; weitere Unterlagen können sodann im Zuge des verwaltungsrechtlichen Verfahrens nachgereicht werden.
Und bitte keine „falsche Bescheidenheit“: Jährlich zahlt der Bund über 200 Millionen Euro Täter-Zusatzrenten für ehemalige STASI-Mitarbeiter(!).